Vier Menschen, darunter ein junges Mädchen, stehen grinsend vor einem Tisch mit Teilen eines fossilen Knochens.
Vier der sechs Autorinnen und Autoren der Studie sind auf diesem Bild mit Überresten des ausgestorbenen Meeresreptils zu sehen. Von links: Dean Lomax, Ruby Reynolds, Justin Reynolds und Paul de la Salle.
Dr Dean Lomax

Die enormen Ausmaße prähistorischer Skelette in naturhistorischen Museen lassen Kinder wie Erwachsene ehrfürchtig staunen. Einen spektakulären neuen Fund hat ein Forschungsteam mithilfe eines elfjährigen Mädchens geborgen: Im Mündungsbereich des Flusses Severn in Großbritannien sind Überreste eines gewaltigen Meeresreptils gefunden worden. Die Unterkieferknochen des Ichthyosauriers waren vermutlich mehr als zwei Meter lang, das gesamte Tier wohl mehr als 25 Meter, wie die Fachleute im Fachjournal "Plos One" schreiben.

Die Fragmente eines Kieferknochens hatte im Jahr 2020 die damals elfjährige Ruby Reynolds gefunden, die mit ihrem Vater (Justin, nicht Ryan Reynolds) am Strand von Blue Anchor in Somerset nach Fossilien suchte. Die beiden erkannten sogar, dass die Knochen einem anderen Fund ähnelten, der 2018 beschrieben worden war.

Darstellung eines an den Strand gespülten Ichthyotitan severnensis.
So könnte ein an den Strand der britischen Inseln gespülter Ichthyotitan severnensis vor mehr als 200 Millionen Jahren ausgesehen haben.
Sergey Krasovskiy

Dies beeindruckte den Ichthyosaurier-Experten Dean Lomax von der University of Manchester so sehr, dass er die beiden in das Forschungsteam einlud, das den Fund beschreiben sollte. Ruby sei nun eine Wissenschafterin mit Veröffentlichung, hieß es. Sie habe nicht nur ein gigantisches prähistorisches Reptil gefunden, sondern auch dazu beigetragen, es zu benennen, sagt Lomax. Der Fachname des ausgestorbenen Tiers lautet nun Ichthyotitan severnensis, was mit "gigantische Fischechse vom Severn" übersetzt werden kann.

Noch besser erhalten

Der von Vater und Tochter Reynolds gefundene Unterkieferknochen ist vollständiger und besser erhalten als der 2018 beschriebene. Er bestätigte einige einzigartige Merkmale der zuerst gefundenen Knochenfragmente, deren Fundort etwa zehn Kilometer von Blue Anchor entfernt ist. "Es ist ziemlich bemerkenswert, dass gigantische Ichthyosaurier in der Größe eines Blauwals während der Trias in den Ozeanen rund um das Vereinigte Königreich schwammen", betont Lomax. Die Trias ist die älteste Periode des Erdmittelalters; sie begann vor etwa 252 Millionen Jahren und endete vor rund 201 Millionen Jahren.

Die Rekonstruktion der Fragmente ergab, dass der Unterkieferknochen etwa 2,3 Meter lang war. Die Studienautorinnen und -autoren verglichen den Knochen unter anderem mit einem Unterkieferknochen der Ichthyosaurier-Art Besanosaurus leptorhynchus, der etwa 5,4 Meter lang war. Markante Merkmale der Überreste von Ichthyotitan severnensis lagen etwa fünfmal so weit auseinander wie beim vergleichbaren Knochen des Besanosaurus, sodass die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auch von der fünffachen Körperlänge ausgehen. "Es ist jedoch erwähnenswert, dass dies auf fragmentarischen Überresten basiert und daher vollständigere Exemplare erforderlich sind, um die Riesengröße zu bestätigen", schreiben sie.

Fossile Kieferknochen eines Ichthyotitan severnensis.
Der gefundene Kieferknochen (oben) ist erstaunlich gut erhalten und so groß, dass er auch auf eine immense Gesamtlänge schließen lässt. Darunter sind zum Vergleich die Reste des 2018 von Paul de la Salle gefundenen Kieferknochens zu sehen.
Dr Dean Lomax

"Diese Kieferknochen liefern den verlockenden Hinweis darauf, dass vielleicht eines Tages ein vollständiger Schädel oder ein Skelett eines dieser Giganten gefunden werden könnte", sagte Lomax. Womöglich könnten die 25 Meter Länge dann sogar noch übertrumpft werden: Eine Untersuchung des Knochengewebes durch einen Co-Autor der Studie, Marcello Perillo von der Universität Bonn, ergab, dass der Ichthyosaurier vom Blue-Anchor-Strand wahrscheinlich noch gar nicht ausgewachsen war.

Das fünftgrößte Massenaussterben

Ichthyotitan severnensis wäre bei einer Bestätigung der Daten nicht nur die größte bisher entdeckte Ichthyosaurier-Art, sondern auch die jüngste: Die Fossilien stammen aus einer Felsformation, die etwa 202 Millionen Jahre alt ist – 13 Millionen Jahre weniger als bisher bekannte riesige Ichthyosaurier.

Zwei Ichthyotitan severnensis-Exemplare mit langen Schnauzen schwimmen im blauen Meer, umgeben von Vögeln.
Die Spezies zählte wohl zu den größten Bewohnerinnen der Meere.
Gabriel Ugueto

Vor 201 Millionen Jahren war es am Ende der Trias zum fünftgrößten Massenaussterben in der Erdgeschichte gekommen, dem wohl auch alle großen Ichthyosaurier zum Opfer fielen. Die Meeresreptilien erreichten danach nie wieder eine vergleichbare Größe. Vor etwa vor 93 Millionen Jahren verschwanden sie ganz. Ein weiterer schwerer Schlag kam vor 66 Millionen Jahren, als am Ende der Kreidezeit die Dinosaurier ausstarben. Derzeit sprechen Fachleute aufgrund der Biodiversitätskrise vom sechsten Massenaussterben.

Für die junge Ruby Reynolds ist der Grundstein einer möglichen Forscherinnenkarriere gelegt, von dem andere Saurierliebhaberinnen nur träumen können. Ob sie in dieser Fachrichtung bleibt, wird sich zeigen. (APA, red, 17.4.2024)