In einem offenen, vom renommierten Kärntner Psychotherapeuten Klaus Ottomeyer initiierten Brief an Wählerinnen und Wähler in Österreich und Deutschland warnen rund 140 Psychologinnen, Psychotherapeuten und Sozialwissenschafter aus beiden Ländern vor einem Erstarken des Rechtsextremismus.

Angesichts der bevorstehenden Nationalratswahl in Österreich und der kommenden Landtagswahlen in Deutschland drohe eine Gefährdung der Demokratie.

FPÖ-Chef Herbert Kickl bezeichne sich bereits als "Volkskanzler" von Österreich und verspreche eine baldige "Erlösung" für die angeblich unterdrückte inländische Bevölkerung, heißt es in dem Schreiben. Björn Höcke von der AfD wiederum habe eine "wohltemperierte Grausamkeit" bei den geplanten Abschiebungen angekündigt.

140 Psychotherapeuten und Psychologinnen warnen vor der FPÖ und AFD
Ein "Volkskanzler Kickl" könnte die Demokratie gefährden, warnen 140 Wissenschafter in einem offenen Brief an Wählerinnen und Wähler.
APA/GEORG HOCHMUTH

"Auf Verspottung spezialisiert"

Kickl sei "auf die Verspottung und Beleidigung von missliebigen Personen und Gruppen spezialisiert". In seiner Zeit als österreichischer Kurzzeit-Innenminister habe er etwa an den Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge die Aufschrift "Ausreisezentrum" anbringen lassen. Politiker aus anderen Parteien würden gezielt entwürdigt.

In dem offenen Brief heißt es: "RegierungspolitikerInnen sind für ihn der 'Swingerclub der Machtlüsternen'. Sie gehören wie gesuchte Verbrecher auf eine 'Fahndungsliste' und sind 'Folterknechte'. Der Bundespräsident ist angeblich 'senil' und 'die Mumie in der Hofburg', ein kritisierter prominenter SPÖ-Politiker ist eine 'dicke, rote, fette Spinne'. Arbeitnehmer-VertreterInnen sind 'alle dick statt ausgemergelt'. Ein betagter ÖVP-Politiker wird aufgrund seines Äußeren mit Ötzi verglichen und mit einem 'Verstorbenen, der nur noch zuckt'. Einen altgedienten grünen Spitzenpolitiker nennt er 'das Grindigste überhaupt'. Ein parlamentarischer Aufdecker hat angeblich vom vielen Sitzen beim Aktenstudium schon 'einen Hintern rot wie ein Pavian' (Rede in Hartberg 23.9.2019). Wir sollten alle wissen, dass man so über Menschen nicht reden darf."

Grobe Bauernfängerei

Viele Wählerinnen und Wähler der FPÖ hätten natürlich auch berechtigte Sorgen "wegen der Krisen in unserer Gesellschaft". Die Antwort darauf dürfe aber nicht zu einer "Entwürdigung von Fremden und politischen Gegnern" führen.

Was die Identitären "vornehm klingend Identität nennen", sei eine grobe Bauernfängerei und würde eher "die Bezeichnung Großgruppen-Narzissmus mit Überlegenheitsanspruch verdienen". Dieser sei psychologisch ungesund und führe fast zwangsläufig zum Projekt einer ethnischen Säuberung.

In Deutschland hätten bereits Ende Februar die katholischen Bischöfe und Seelsorger die AfD zu einer Gefahr für die Menschenwürde und für unwählbar erklärt. "Als PsychologInnen und PsychotherapeutInnen fühlen wir uns verpflichtet, vor der massiven Gefährdung von Demokratie und Gesundheit zu warnen, die von der FPÖ, der AfD und den Identitären ausgeht", heißt es im offenen Brief abschließend. (Walter Müller, 17.4.2024)