Weihnachtsbeleuchtung am Wiener Graben.
Der Wiener Graben galt vor allem in der Weihnachtszeit als ein Shopping-Paradies für Russinnen und Russen. Diese Zeiten sind vorbei.
APA/EVA MANHART

Einst waren russische Touristinnen und Touristen aus dem Erscheinungsbild der Wiener Einkaufsstraßen und Tiroler Skidörfer kaum wegzudenken. Die Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine änderten das schlagartig: 2019 kamen rund 365.000 Russen nach Österreich, im Jahr 2023 waren es nur noch 52.000. Das ist zwar ein Anstieg um 13 Prozent gegenüber dem Jahr 2022, verglichen mit den Glanzzeiten aber immer noch wenig.

Russinnen und Russen dürfen – solange sich nicht selbst auf Sanktionslisten stehen – weiterhin in die EU einreisen. Die Bedingungen haben sich allerdings verschärft: Visa sind teurer geworden, Direktflüge wurden gestrichen. Und für das kaufkräftige russische Publikum kommt ein weiteres Problem hinzu: Teure Souvenirs sind per Strafgesetz verboten. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg, zuständig für den Flughafen Wien, ermittelt deshalb immer wieder gegen russische Touristen, die mit vollen Koffern in ihre Rückflüge nach Istanbul, Belgrad oder Tiflis steigen wollen.

Luxus verboten

Grund für die Strafverfahren sind die EU-Sanktionen gegen Russland, die es verbieten, Luxusgüter ab einem Wert von 300 Euro nach Russland zu bringen. Dazu zählen etwa Champagner, Wein, Kaviar, Trüffel, Schmuck und Uhren. Für andere Produkte, zum Beispiel Haushaltsgeräte oder Kameras, gelten etwas höhere Wertgrenzen.

Wer Luxusgüter dennoch ausführt oder das zumindest versucht, dem drohen laut dem österreichischen Außenwirtschaftsgesetz (Paragraf 79) bei Vorsatz Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren; bei Fahrlässigkeit Strafen von bis zu einem Jahr. Strafbar können sich als "Beitragstäter" auch Verkäuferinnen und Verkäufer machen, erklärt Rechtsanwalt und Strafverteidiger Alexander Prenner.

Befreiung von der Umsatzsteuer

Prenners Kanzlei vertrat kürzlich einen Russen, der sich bei seinem Wien-Besuch eine Uhr im Wert von 900 Euro kaufte. Am Flughafen Wien wollte er sich beim Zoll die Umsatzsteuer zurückholen, was ihm zum Verhängnis wurde. Die Beamten nahmen ihm die Uhr ab und leiteten ein Strafverfahren gegen ihn ein.

Prenners Kanzlei machte im Verfahren einen "Verbotsirrtum" geltend. Das Argument: Die Sanktionsbestimmungen seien äußerst kompliziert, einem Laien könne man nicht vorwerfen, dass er nichts von dem Ausfuhrverbot gewusst habe. "Das ist ja nicht der Kernbereich des Strafrechts, sondern ein Spezialfall in einem Nebengesetz", sagt Prenner.

Die Staatsanwaltschaft ließ dieses Argument nicht gelten, zu einem Prozess kam es aber trotzdem nicht. Die Behörde beendete das Verfahren mit einer Diversion. Dabei wird von einem gerichtlichen Schuldspruch abgesehen, der betroffenen Person kann jedoch eine Probezeit auferlegt werden, und sie muss ein paar Hundert Euro als Kostenbeitrag für das Verfahren zahlen.

Anstieg an Verfahren

In den vergangenen Jahren dürften die meisten Verfahren so abgelaufen sein. Darauf deuten Zahlen aus dem Justizministerium hin. In den Jahren 2022 und 2023 gab es 96 Ermittlungsverfahren nach Paragraf 79 Außenwirtschaftsgesetz. Im Jahr 2024 waren es allein in den ersten drei Monaten 25 Verfahren. Zum Vergleich: In den Jahren 2020 und 2021 gab es insgesamt 24 Verfahren. Zu Verurteilungen kam es allerdings kaum: Im Jahr 2022 gab es drei Schuldsprüche, in den Jahren 2023 und 2024 bisher keine.

Abseits des Außenwirtschaftsgesetzes, bei dem es um die verbotene Ein- und Ausfuhr von Gütern geht, werden Verstöße gegen die Russland-Sanktionen mit dem Sanktionengesetz geahndet. "Da geht es um klassische Embargobrüche, wenn Privatpersonen oder EU-Unternehmen zum Beispiel ein Geschäft mit einer sanktionierten Person oder einem sanktionierten Unternehmen abwickeln", erklärt Rechtsanwalt Wolfgang Gappmayer. Je nach Wert des illegalen Geschäfts drohen entweder Verwaltungsstrafen oder gerichtliche Strafen. In den vergangenen beiden Jahren gab es laut Justizministerium zwar mehr als dreißig Ermittlungsverfahren, aber noch keine gerichtliche Verurteilung. Ermittlungen, die jetzt erst laufen, schlagen sich freilich erst später in der Verurteilungsstatistik nieder.

Ob und wie viele Verfahren gegen Touristen am Wiener Flughafen geführt wurden, ist nicht bekannt. Laut Staatsanwaltschaft Korneuburg stehen "detailliertere Informationen zur Anzahl und Nationalität der Beschuldigten" nicht zur Verfügung. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, schrieb dem STANDARD, dass "Händler aus dem Luxusgütersegment ihre Kund:innen laufend in Bezug auf die gültigen Geldwäsche- und Sanktionsbestimmungen" prüfen. Wenn Kunden ein Tax-free-Formular ausfüllen, erfahren Händler über den Reisepass von der Staatsangehörigkeit. "Wenn aber jemand keine Mehrwertsteuer-Rückvergütung verlangt und für einen relativ kleinen Betrag anonym einkauft, dann ist es in der Praxis schwierig, einen Verdacht zu schöpfen, dass es sich um im Ausland lebende Russ:innen handeln könnte", sagt Will. (Jakob Pflügl, 17.4.2024)